Der Toggelistein von Gibelflüh

In Gibelflüh steht in schöner Lage eine Kapelle. Der Bauernhof daneben heisst "Im Loch". Dort lag auf einer flachen Wiese bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein einsamer Felsblock. Dieser Stein hiess Toggelistein, und darunter befand sich die Togglistube. Darin wohnten früher gutmütige Zwerge. Wenn am Samstag auf den Höfen die Leute mit Aufräumen beschäftigt waren, brauchten die Gibelflüher keine Hand zu rühren und konnten sich, von der Arbeit der Woche müde, rechtzeitig zu Bett legen. Während Knechte, Mägde, Bauern und Bäuerinnen schliefen, kamen aus der unterirdischen Stube die Toggeli und brachten Haus und Scheune in beste Ordnung. Die Toggli wollten bei ihrer Arbeit nicht beobachtet und belauscht werden. Einst konnte ein Knecht die Neugier nicht mehr zurückhalten. Er blieb nachts in der Stube sitzen, um die Leutchen zu belauern. Die Kleinen nahten, sahen den Knecht, kehrten um und kamen nie mehr zum Vorschein.


Das Wirtlentier

Zu Ende des 18. Jahrhunderts wanderte der Wagner Johann Georg Müller, genannt Wagnerhansjeri, tief in der Nacht von Unterebersol heimzu nach Urswil. Der mehr als achtzigjährige Störhandwerker war es gewohnt, zu jeder Tages- und Nachtzeit allein unterwegs zu sein. Nachdem der die Wirtlen-Anhöhe erreicht und die Strasse, welche von Ballwil nach Hochdorf führt, überquert hatte, lenkte er seine Schritte zwischen dem Wirtlen- und dem Hasliwald hindurch nach Urswil hinunter. Plötzlich vernahm er ein Rauschen, das immer stärker wurde. Wegen der dunklen Nacht konnte er nur einen Schwachen Schatten wahrnehmen, der blitzschnell auf ihn zuschoss, an seinem linken Bein vorüberhuschte und spurlos im nahen Wald verschwand. Alles geschah so rasch, dass der Wagnerhansjeri das Untier gar nicht erkennen konnte. Nach seiner Meinung glich es am ehesten einem grossen schwarzen Hund. Da er keine Furcht kannte, schritt er rüstig weiter und überlegte sich unterwegs, ob er vielleicht dem sagenhaften Wirtlentier begegnet sei, von dem er schon oft gehört, das er aber noch nie gesehen hatte.
Zu hause fühlte er sich unwohl, und sein linkes Bein, das vom Untier gestreift worden war, tat ihm weh. Am nächsten Morgen war er krank. Die Schmerzen wurden immer grösser, und am Bein brach eine eiternde Wunde auf, die sich auch durch ärztliche Kunst nicht mehr schliessen lies. Über ein halbes Jahr lag der alte Mann auf dem Krankenlager darnieder. Die Ärzte erwogen bereits, das eiternde Bein abzunehmen, als ein gewisser Franz Scherer aus Hochdorf Rat wusste. Er schnitt das Geschwür mitsamt dem teilweise zerfressenen Knochen heraus und ersetzte den fehlenden Knochenteil durch ein kunstvoll geschnitztes Stück Holz. Schon nach kurzer Zeit war der Wagnerhansjeri wieder gesund und konnte, wenn auch noch leicht hinkend, wieder auf die Stör gehen. Dem Wirtlentier ist er zu seinem Glück nie mehr begegnet.


Der wandelnde Totenschädel

In der Kapelle von Gerligen, zwischen Ballwil und Eschenbach, werden seit alters drei Totenschädel aufbewahrt. Sie sollen von Mördern stammen, die hier ums Leben kamen. Ein Taglöhner aus Urswil arbeitete einst in Gerligen. Als er am Samstag nach Hause ging, nahm er einen der drei Schädel mit, um ihn in der Kapelle seines Dorfes aufzustellen. Aber auf dem Wege verlor er den Schädel auf unerklärliche Weise. Als er am Montag in der Kapelle von Gerligen Nachschau hielt, stand der Schädel wieder bei den andern.


Der Poltergeist

Hinter Gibelflüh bei Eschenbach liegt der Hof Dossenlehn. Dort stand früher ein altes Bauernhaus, das einst als Wirtshaus diente und allerlei lichtscheuem Gesindel Unterschlupf bot. Das Volk, das dort zusammenkam, trieb es besonders an Feiertagen unflätig und liess es hoch hergehen und oft zu blutigen Händeln kommen.
Als das Haus keine Gaststätte mehr war und braven Bauersleuten Obdach bot, rumorte darin noch immer ein Poltergeist. Man hörte ihn um Mitternacht in der Küche hantieren und vernahm dabei auf dem Herd ein Schmoren und Braten. Auch Geräusche waren vernehmbar, als ob Krüge, Töpfe, Pfannen und anderes Geschirr umhergeworfen würde. Der Lärm wurde immer stärker, und wer ihn hörte, musste glauben, man fände am Morgen alles Geschirr zerschlagen. Trat man aber in der Frühe in die Küche, war jedes Stück an seinem alten Ort, und keines zeigte den geringsten Schaden. An den Vorabenden vor Feiertagen ging es in der Küche besonders laut zu. Man hörte die Ofenbank krachen, als ob sich ein schwerer Mann darauf setze. Dann erfüllte das ganze Haus ein schmerzliches Ächzen und Stöhnen. Der Geist liess sich nie von Angesicht erblicken. Er war gutartig und fügte niemandem ein Leid zu. Später riss man das Haus nieder und erstellte ein neues. Doch man hütete sich, Holz vom alten Gebäude zum Neubau zu verwenden. Das Gebälk blieb lange daneben liegen und verfaulte dort langsam. Der Geist aber wurde nicht mehr gehört.


Die Hexe von Ballwil

Der Bauer auf Rainmatt in Gerligen bei Ballwil war beim Heuen beschäftigt. Da ging die Nachbarin, die längst als Hexe bekannt war, an ihm vorbei, um im Wald Tannzweige zu einem Besen zu holen. Sie sagte zum Bauern, er solle sich mit seiner Arbeit beeilen, es komme bald ein Gewitter. Aber der Bauer lachte, denn kein Wölklein stand am Himmel. Er lud gemächlich sein Heu auf den Wagen, und die Frau kehrte aus dem Wald zurück. Da war auch das Wetter schon da. Der Bauer spannte seine vier Ochsen vor den Wagen, aber der Wagen war nicht von der Stelle zu bringen. Der Bauer holte zwei Pferde. Aber auch ihr Vorspann nützte nichts. Er holte zwei Rinder, aber der Wagen stand fest. Das Gewitter zog immer drohender auf. Nun holte der Bauer eine Axt und schlug damit eine Speiche aus einem Rad. Da war der Bann gebrochen, der Wagen bewegte sich, der Bauer zog mit dem Heu in die Scheune ein. Die Nachbarin aber traf er mit einem gebrochenem Bein am Wege liegen. Da war sie als Hexe überwiesen.
Von der gleichen Hexe erzählte man, dass sie den Arbeitern auf dem Felde zu helfen pflegte. Um die Mittagszeit eilte sie jeweils nach Hause. Kaum war sie dort, rief sie die Knechte schon zum Essen. Einer sah einmal, wie das zuging. Auf dem Herd stand ein grünes Männchen, dem klopfte die Hexe mit einem Waschlappen auf den Hindern, und jedesmal fiel ein fertiges Küchlein in die Pfanne.
Die Hexe verstand auch zu verhindern, dass der Rahm zu Butter wurde. Die Bauern von Inwil haben daher einmal um einen Rat gefragt, der Bescheid wusste. Der warf etwas in den Rahm und begann sachte zu rühren. Da eilte die Hexe herbei und bat dringend, man möge mit dem Buttern aufhören.


Die Pestfuhr nach Hochdorf

Die Pest, auch Schwarzer Tod genannt, war in früheren Jahrhunderten für die Menschen eine wahre Geissel, die von Zeit zu Zeit unerbittlich zuschlug, ohne auf Alter und Stand Rücksicht zu nehmen. Gegen diese gefürchtete Seuche gab es keinen Schutz und kein Heilmittel. Immer wieder raffte sie in Stadt und Land grosse Teile der Bevölkerung dahin. Während einer dieser schrecklichen Pestepidemien hat sich folgende Begebenheit zugetragen:

Der Totenfuhrmann von Hochdorf hatte die Pflicht, jeden Tag die innerhalb der Pfarreigrenzen Verstorbenen abzuholen und zum Friedhof zu bringen. Weil der Hochdorfer Sprengel sich über ein grosses Gebiet erstreckte und unter anderem auch Hohenrain und Ballwil umfasste, war der Fuhrmann in jener Zeit von morgens früh bis abends spät unterwegs.
Eines Tages kehrte er mit seinem voll beladenen Wagen von den südöstlich von Ballwil gelegenen Weilern Wald und Gibelflüh zum Friedhof zurück. Auf halber Höhe zwischen Ballwil und Hochdorf durchquerte er den Wirtlenwald. In der abschüssigen Hohlgasse fiel ihm unbemerkt ein Sarg vom Wagen und blieb am Wegrand liegen. Erst beim Abladen auf dem Friedhof bemerkte er den Verlust. Weil er aber keine Lust hatte, nur wegen der einen verlorengegangenen Leiche umzukehren, beschloss er, diese über Nacht liegen zu lassen und am folgenden Tag abzuholen.
Dazu kam der Totenfuhrmann von Hochdorf aber nicht mehr, denn während der Nacht erlitt er selbst den Schwarzen Tod. An der Stelle, wo ihm der Sarg vom Wagen gefallen war, wurde ein Bildstöcklein errichtet. Dieses kleine Mahnmal soll die Vorüberziehenden an das makabere Geschehen erinnern und ihnen die Ungewissheit der Todesstunde vor Augen halten.

Ein Bauer in der Nähe der Wirtlen gelobte damals eine Kapelle, wenn er von der Pest verschont bliebe. Und da er die böse Zeit überlebte, errichtete er die Kapelle, die am Waldrand bei Wirtlen steht.